VR218 – Verwendung von Konvektionsöfen für hitzesensitive Substrate

Einleitung

Das Vernetzen von Pulverlacken auf hitzesensitiven Substraten, wie z.B.: Vollholz, Sperrholz, Faserplatten u.ä. mittels Infrarottechnologie bzw. Infrarottechnologie mit Konvektionsunterstützung stellt ein etabliertes und bewährtes Verfahren da. Die Herausforderungen liegen in der gleichmässigen Erwärmung aller Substratflächen sowie einer genügend schnellen Aufheizrate, um eine thermische Überlastung des Substratkerns zu vermeiden. Da Infrarottechnologie komplexe Geometrien nur mit hohem Steuerungsaufwand gleichmässig erwärmen kann, hat die IGP Powder Coatings einen Prozess mit Konvektion als Hauptenergieträger entwickelt. Infrarot wird in diesem Prozess nur noch zur Unterstützung zu Beginn des Einbrennvorganges benötigt. Die Umsetzung dieses Prozesses in bestehenden Anlagen bzw. die Implementierung in neue Beschichtungsanlagen wird im Folgenden beschrieben.

Grundprinzip

Die Infrarothärtung hat sich als Standard für hitzesensitive Substrate etabliert, da mittels Strahlung eine hohe Energiemenge in kurzer Zeit an die Oberfläche abgegeben werden kann. Hierdurch kann eine schnelle Aufheizrate (ca. 1-2 K/s) auf der Oberfläche erreicht und gleichzeitig ein Überhitzen des Substrates im Kern verhindert werden.
Beim Einsatz von Umluftsystemen konnten in der Vergangenheit keine ausreichenden Aufheizraten erzielt werden. Es zeigte sich jedoch, dass bei guter Luftführung ein gleichmässigeres Aufheizen des Werkstückes erfolgte. Um die Aufheizrate bei Umluft zu erhöhen, wurde deshalb ein zweistufiger Einbrennprozess erprobt:

Im ersten Schritt wird mittels hoher Umlufttemperatur und ggf. hoher Luftgeschwindigkeit eine ausreichende hohe Energieübertragung zum Substrat erreicht, um Aufheizraten zwischen 0.75-1 K/s zu erreichen. Diese sind für die sichere Vernetzung der Pulverlacke ausreichend, ohne den Kern des Substrates zu überhitzen.

Im zweiten Schritt wird das Bauteil in eine Zone mit geringerer Lufttemperatur und/oder geringerer Luftgeschwindigkeit geführt. Bei Kammeröfen wird nur die Luftgeschwindigkeit stark reduziert. Hiermit kann ein weiteres Aufheizen des Substrates verhindert werden. Es wird allerdings noch ausreichend Energie übertragen, um die benötigte Objekttemperatur zu halten. Nach der benötigten Haltezeit kann das Werkstück entnommen werden. Die, in diesem Fall, benötigte Objekttemperatur und Haltezeit unterschiedet sich nicht von den Angaben im technischen Merkblatt.

Vorteile/Voraussetzungen

Die Anschaffungskosten für Infrarottechnologie liegen deutlich höher als die von Umluft. Es ist somit vor allem bei Neubauten von Anlagen finanziell interessant, den Anteil benötigter Infrarotzonen zu minimeren. Infrarotöfen sind in mehrere, separat ansteuerbare Zonen eingeteilt, welche das Einstellen für den Anlagenführer kompliziert gestalten können, vor allem bei geometrisch komplexen Bauteilen oder starken Unterschieden in der Helligkeit der beschichteten Farben. Umluftöfen besitzen in der Regel nur die Einstellung der Umlufttemperatur und Luftgeschwindigkeit. Diese Parameter sind einfach verständlich und für die Verantwortlichen schnell nachvollziehbar. Das Erwärmen von verschiedenen Pulverlacken (weiss/schwarz) mittels Umluft erzeugt keine Unterschiede, wie sie bei Infrarot auftreten können. Die Einarbeitung und Einstellung für den Anlagenführer sind somit deutlich vereinfacht.

Auch bietet dieser Prozess die Möglichkeit, bereits bestehende Anlagen umrüsten zu können, um diese sowohl für hitzesensitive Substrate wie auch Metalle nutzbar zu machen.
Es wird lediglich eine Möglichkeit zum Vorwärmen (siehe nächster Abschnitt) und gegebenenfalls eine Infrarot-Boosterzone (je nach Bedarf) benötigt.
Für die Applikation ist bei reiner Handbeschichtung lediglich ein erfahrener Beschichter mit entsprechender Lernphase notwendig. Bei automatischer Beschichtung ist eine Kunststoffkabine (Metallkabinen erreichen keine entsprechende Elektrostatik) mit nachrüstbaren Gegenelektroden notwendig. Zusätzlich müssen die notwendigen Einstellungen ermittelt und die Beschichter geschult werden.

Bei Neubauten kann somit eine Kosteneinsparung durch günstigere Investitionskosten erreicht werden. Für Neu- und Umbauten ergibt sich die Möglichkeit, Beschichtungsanlagen sowohl für Metall- wie auch hitzesensitive Substrate nutzen zu können. Dies kann neue Absatzmärkte erschliessen sowie das Investitionsrisiko breiter streuen.
Auch ist der Betrieb von Konvektionsanlagen für den Anlagenführer einfacher, da weniger Einstellparameter geschult bzw. beachtet werden müssen und Fehler bei der Bedienung reduziert werden.

Alle diese Punkte müssen aber für jede Anlage individuell betrachtet werden.

Praktische Umsetzung

Allgemein notwendiges Vorwärmen:
Um Holzsubstrate bzw. Faserplatten beschichten zu können, müssen diese in der Regel vorgewärmt werden. Aus der Erfahrung hat sich gezeigt, dass hierzu Infrarottechnologie die besten Ergebnisse liefert.

Allgemein:
Bei der Verwendung von bestehenden Öfen sollte vorab die Luftführung im Ofen überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Es ist unabdingbar, dass in allen Bereichen des Ofens eine gleichmässige Luftgeschwindigkeit und Temperaturverteilung herrscht. Bei ungleichmässigen Temperaturen bzw. Luftgeschwindigkeiten ist das Vernetzen von Pulverlacken auf hitzesensitiven Substraten nicht möglich. 
Erst nachdem diese Punkte sichergestellt sind, kann mittels einer Messplatte, welche in Material und Geometrie dem späteren Werkstück entspricht, mit Messungen begonnen werden. Der Ofen muss hierzu vollständig durchgeheizt sein. Auch muss die Umlufttemperatur sehr deutlich über der geforderten Objekttemperatur von ca. 130°C liegen. Empfohlen werden zu Beginn der Messung Umlufttemperaturen von ca. 210-230°C für MDF-Substrate (je nach Dicke 15-25mm). 

Für Vollholz liegen die Werte je nach Holzart niedriger. Grössere Luftgeschwindigkeiten ermöglichen eine verbesserte Wärmeübertragung der Luft zum Substrat und begünstigen somit höhere Aufheizraten – das noch nicht aufgeschmolzene Pulver darf dabei nicht vom Substrat geblasen werden. Durch Einsatz einer einfach aufgebauten IR-Zone vor dem Umluftofen, kann das Pulver leicht «angeklebt » werden, um ein Abblasen zu verhindern und somit schnellere Luftgeschwindigkeiten zu realisieren. Im Idealfall sollte eine Aufheizrate von ca. 1.5 K/s erreicht werden.
Ausreichend sind allerdings bereits Werte zwischen 0.7-0.8 K/s.

Beispiel zur Berechnung der Aufheizrate:
Das Bauteil fährt mit Raumtemperatur 20°C in den Ofen. Die Ziel-Objekttemperatur liegt bei 130°C. Der benötigte Temperaturanstieg liegt somit bei 110°C (130°C-20°C). Da eine Differenz von einem 1°C auch einer Differenz von 1 Kelvin [K] entspricht liegt die Temperaturdifferenz also bei 110 K. Anschliessend werden die 110 K nur noch durch die gemessene Zeit bis zum Erreichen der geforderten Temperatur dividiert. Als Beispiel 2.5 Minuten, dies entspricht 150 Sekunden. 110 K / 150 Sekunden = 0.733 K/s. Der Wert liegt zwischen 0.7-0.8 K/s und ist somit ausreichend.

Werden Aufheizraten kleiner 0.7 K/s gemessen so muss die Umlufttemperatur bzw. die Luftgeschwindigkeit (falls möglich) weiter erhöht werden.
Kann auch bei höchstmöglicher Lufttemperatur keine ausreichende Aufheizzeit erreicht werden, so ist die Verwendung von reiner Umluft nicht ausreichend und es ist der Einsatz einer Infrarot Angelier- bzw. Boosterzone notwendig, um die Temperatur zu erreichen.

Zusätzlich zur Aufheizrate muss auch darauf geachtet werden, dass zwischen den einzelnen Messfühlerpositionen keine grossen Unterschiede in der Temperatur (<5°C) bzw. der Aufheizzeit bis zur Objekttemperatur liegen (max. 10-15 Sekunden).

Ist die Aufheizrate und die Gleichmässigkeit der Temperaturverteilung sichergestellt, muss mit dem zweiten Prozessschritt, dem Halten der Temperatur fortgeschritten werden. Hierfür stehen bei Durchlauf- bzw. Kammeröfen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:

Kammeröfen:
Da die Steuerung der Lufttemperatur in Kammeröfen träge ist, kann der Temperaturverlauf am schnellsten über die Reduzierung der Luftgeschwindigkeit und somit der Wärmeübertragung erfolgen. Ggf. ist ein gleichzeitiges Absenken des Temperatursollwertes notwendig. Dies sollte nach Möglichkeit programmgesteuert erfolgen, um einen gleichbleibenden Prozess zu erzielen.
Für erste Versuche bzw. einfache Öfen kann es ausreichen, den Ofen nach Erreichen der notwendigen Objekttemperatur abzuschalten. In diesem Fall kann allerdings kein Einfluss mehr auf den Temperaturverlauf genommen werden.

Durchlauföfen:
Durchlauföfen, welche nicht die Möglichkeit haben, im vorderen Ofenbereich abweichende Umlufttemperaturen oder Luftgeschwindigkeiten zum restlichen Ofen zu realisieren, sind ohne den Einsatz der oben beschriebenen Angelier- bzw. Boosterzone nicht für diesen Prozess geeignet. Ohne eine Steuerung der Lufttemperatur bzw. -geschwindigkeit kann das Aufheizen nicht gestoppt und ein Überbrennen des Pulvers nicht verhindert werden.

Bei Durchlauföfen mit verschiedenen Temperatur- bzw. Luftgeschwindigkeitszonen, muss die Aufheizrate im Zusammenspiel mit der Fördergeschwindigkeit eingestellt werden. Es ist darauf zu achten, dass die Fördergeschwindigkeit so gewählt wird, dass das Erreichen der Objekttemperatur mit benötigter Aufheizrate zum Wechsel einer Temperatur- bzw. Luftgeschwindigkeitsszone erfolgt. Wurde dies erreicht, so sollten die folgenden Zonen eine deutlich niedrigere Lufttemperatur und -geschwindigkeit aufweisen. Unabhängig vom Ofentyp müssen die Einstellungen für den zweiten Prozessschritt so gewählt werden, dass das Substrat nicht abkühlt oder sich weiter erwärmt. Auch darf, vor allem bei Durchlauföfen, die maximal angegebene Haltezeit nicht überschritten werden. Während der Haltezeit sollte die gemessene Temperatur des Werkstückes nicht mehr als +/-4°C von der empfohlenen Temperatur abweichen. Andernfalls kann es, wie bei Infrarottechnologie auch, zu einer Untervernetzung des Lackes bzw. einer zu hohen Belastung des Substrates (Blasen-, Rissbildung…) kommen.

Werden alle Punkte zur Aufheizrate, Gleichmässigkeit der Erwärmung und der Haltezeit eingehalten, so erzeugt das Verfahren gleichwertige - zum Teil bessere - Oberflächen, verglichen mit der herkömmlichen Vernetzung mittels Infrarotöfen.

 

Mitgeltende Unterlagen

Technische Information TI 111 Verfahrenstechnische Empfehlungen für die Pulverbeschichtung von MDF.

Hinweise

Die vorliegende verarbeitungstechnische Beratung erfolgt nach derzeitigem Erkenntnisstand, gilt jedoch nur als unverbindlicher Hinweis und befreit den Anwender nicht von eigenen Prüfungen. Anwendung, Verwendung und Verarbeitung der Produkte erfolgen ausserhalb unserer Kontrollmöglichkeiten und unterliegen daher ausschliesslich dem Verantwortungsbereich des Anwenders.