VR215 - Verarbeitung “Pulver-in-Pulver”

Für die Verarbeitung von Primer und Decklack im sogenannten
„Pulver-in-Pulver“-Verfahren sind bestimmte Applikations- und anlagentechnische Voraussetzungen zu beachten. Diese VR informiert den Verarbeiter über die Parameter, die für einen verarbeitungssicheren Prozess und ein optimales Beschichtungsergebnis wesentlich sind.

Grundsätzliches

In Gegensatz zu einem klassischen Zweischichtaufbau mit der Applika-tion des Primers, dem anschliessenden Angelieren, bzw. Einbrennen und der danach folgenden Deckbeschichtung, stellt der Prozess der Beschichtung ohne Einbrennen der Grundierung vor der Deckbeschichtung spezielle Anforderungen an den Beschichter. Zudem sind für dieses Verfahren nur bestimmte Pulverlacke aus dem Standardsortiment geeignet. Grundsätzlich stehen verschiedene Aufladungsverfahren bei der Applikation im Pulver-in-Pulver-Verfahren zur Verfügung. Empfohlen wird die Verwendung des IGP-KORROPRIMER 1001..A in Kombination mit dem Decklack IGP-DURA®face 5807A oder 5803A. Bei der Nutzung von Corona (positiv) mit Corona (negativ) können zusätzlich noch die Warengruppen IGP-DURA®face 5807E oder5803E, sowie die Produkte der Serie HWFclassic 5907A/Eund 5903A/E verwendet werden. Bedingt ist auch die Artikelgruppe 591TA geeignet. Hierzu werden allerdings Applikationstests vor der Beschichtung empfohlen.

Allgemeine Verarbeitungshinweise

Für die Verarbeitung im „Pulver-in-Pulver“-Verfahren kann sowohl die Verwendung von Corona-Aufladung für die Applikation des Primers und die Verwendung von Tribo-Aufladung für die Applikation des Decklacks oder die Verwendung von positiv geladener Corona-Aufladung für die Applikation des Primers und negativ geladener Corona-Aufladung für die Applikation des Decklackes verwendet werden. Geeignet sind alle im Markt üblichen Geräte mit Corona- und Tribo-Aufladung. Die Benutzung von klassischen Tribopistolen oder der Einsatz von sogenannten Tribolanzen spielt dabei keine Rolle. Tribolanzen bieten lediglich den Vorteil bei grossen Werkstücken, weiter entfernte Bereiche bequem beschichten zu können. Die Verarbeitung von Grundierung und Decklack kann ebenfalls für beide Pulver mit Tribo-Aufladung stattfinden, dies reduziert allerdings die Effizienz der Beschichtung und erhöht das Risiko der Durchmischung der beiden Pulver während des Applikationsprozesses. Von einer Beschichtung nur mit negativ geladener Corona-Aufladung ist abzusehen, da diese eine wenig ansprechende Oberfläche erzeugt und sehr schnell zu Rücksprüheffekten und zur Durchmischung der Pulver führt. Wie bei allen elektrostatischen Pulverbeschichtungen ist auch bei der Verarbeitung im Pulver-in-Pulver-Verfahren auf eine ausreichende Erdung zu achten. Die korrekte Erdung der Bauteile sollte regelmässig im gesamten Beschichtungsprozess überwacht werden. Eine unzureichende Erdung kann zu einer starken Verschlechterung des Beschichtungsergebnisses und der Effizienz führen. Nach der eigentlichen Beschichtung ist darauf zu achten, dass das Werkstück bis zum Einbrennen möglichst erschütterungsfrei befördert wird. Kommt es zu einer Erschütterung kann sich Pulver stellenweise lösen und darunterliegende Flächen partiell kontaminieren.

Substrate

Grundsätzlich ist die Verarbeitung „Pulver-in-Pulver“ auf Substraten wie Stahl und Aluminium möglich. Einschränkungen müssen bei der Verwendung von verzinktem Stahl gemacht werden. Aufgrund der Ausgasungsneigung verzinkter Oberflächen beim Einbrennprozess, wird gewöhnlich auf diesen Substraten ein spezieller, ausgasungsfreundlicher Primer verwendet. Diese entgasende Wirkung ist bei der Verarbeitung „Pulver-in-Pulver“ aufgrund des gemeinsamen Einbrennens mit der Deckschicht stark eingeschränkt.

Applikation Corona (negativ) mit Tribo

Während der Beschichtung des Grundierpulvers mit negativer Corona- Aufladung müssen keine besonderen Aspekte beachtet werden. Die Applikation kann analog zur Beschichtung im klassischen Zweischichtaufbau durchgeführt werden. Die Begrenzung des Stroms und das Einstellen der Hochspannung auf <80 kV können allerdings die spätere Deckbeschichtung erleichtern und reduzieren die Wahrscheinlichkeit von Rücksprüheffekten oder der Durchmischung der Pulver. Auch sollten Schichtdicken der Grundierung >100 μm vermieden werden, da diese die anschliessende Deckbeschichtung negativ beeinflussen können.Während der Beschichtung des Decklackes ist besonders darauf zu achten, eine ausreichende Aufladung des Pulvers zu erreichen. Je nach verwendeter Pistole wird ein Ableitstrom >1.5 μA empfohlen.Zusätzlich ist darauf zu achten eine möglichst „weiche Wolke“ während der Beschichtung zu erzielen. Dies wird durch ein angepasstes Verhältnis zwischen Förder- und Dosierluft (je nach Anlagentyp auch Gesamtluft und Pulvermenge) sowie der eingestellten Triboluft erreicht. Bei zu geringen Luftmengen kommt es zu einem unregelmässigem Pulverausstoss, bis hin zu Spuckerbildung und einer zu geringen Aufladung des Pulvers. Bei zu hohen Luftwerten tritt das Pulver mit zu hoher Geschwindigkeit aus der Düse aus und kann somit zum Abblasen des Pulvers und auch der Grundierung führen. Daraus resultiert unmittelbar eine Durchmischung von Decklack und Grundierung. Auch zu geringe Sprühabstände sollten vermieden werden, um ein Abblasen zu verhindern.

Applikation Corona (positiv)
mit Corona (negativ)

Bei der Beschichtung des Grundierpulvers mit positiver Corona-Aufladung sollte auf die Regulierung der Hochspannungseinstellung geachtet werden. Im Vergleich zu negativer Corona-Aufladung benötigt eine positive Aufladung leicht höhere Einstellungen der Hochspannung (kV). Hierbei sollte jedoch der Strombegrenzer (μA) genutzt werden. Je nach Anlagenhersteller werden Einstellungen <15μA empfohlen. Zudem sollten Schichtdicken der Grundierung >100 μm vermieden werden, da diese die anschliessende Deckbeschichtung negativ beeinflussen können. Während der Beschichtung des Decklackes mit negativer Corona-Aufladung ist darauf zu achten eine möglichst „weiche Wolke“ während der Beschichtung zu erzielen. Dies wird durch ein angepasstes Verhältnis zwischen Förder- und Dosierluft (je nach Anlagentyp auch Gesamtluft und Pulvermenge) erreicht. Bei zu geringen Luftmengen kommt es zu einem unregelmässigem Pulverausstoss, bis hin zu Spuckerbildung. Bei zu hohen Luftwerten tritt das Pulver mit zu hoher Geschwindigkeit aus der Düse aus und kann somit zum Abblasen des Pulvers und auch der Grundierung führen. Daraus resultiert unmittelbar eine Durchmischung von Decklack und Grundierung. Auch zu geringe Sprühabstände sollten vermieden werden um ein Abblasen, wie oben beschrieben, zu verhindern. Zusätzlich muss auch die Hochspannungseinstellung beachtet werden. Hierbei ist vor allem eine “Überladung” durch einen zu hohen Sprühstrom (μA) zu verhindern, da dieser schnell zu einer Durchmischung beider Pulver führen kann. Es wird deshalb die Nutzung des Strombegrenzers <10μA, sowie die Nutzung von sogenannten Ableitringen, zur Reduzierung von Ladungen, die nicht zur Aufladung des Pulvers dienen, empfohlen. Zusätzlich sollten auch bei der Deckbeschichtung Schichtstärken >100μm vermieden werden, da diese die Qualität der eingebrannten Oberfläche negativ beeinflussen können.

Rückgewinnung

Wird die Beschichtung von Grundierung und Decklack in derselben Kabine durchgeführt und kann nicht verhindert werden, dass während dem Beschichtungsprozess Grundierpulver in den Pulverkreislauf des Decklackes oder umgekehrt Decklack in den Pulverkreislauf des Grundierpulvers eingetragen wird, so ist von einem Rückgewinnungsbetrieb abzusehen. Bei Verarbeitung von Grundierung und Decklack in zwei getrennten Beschichtungskabinen ist ein Rückgewinnungsbetrieb möglich. Es sollte allerdings darauf geachtet werden, einen möglichst geringen Anteil an Overspray zu generieren, da die Verarbeitbarkeit des Pulvers durch die grosse Beanspruchung im Rückgewinnungsprozess mit der Zeit leicht nachlassen kann. Die Zudosierung von Rückgewinnungspulver zum Frischpulver sollte möglichst automatisch und in gleichmässigen Mengen geschehen. Somit ist ein gleichbleibendes Verhältnis von Frisch- und Rückgewinnungspulver im Pulverbehälter gegeben. Für Decklacke mit Effekt sind die jeweiligen Hinweise in den technischen Merkblättern zu beachten.

Vernetzung

Für den Einbrennvorgang sind die Angaben aus den entsprechenden Merkblättern der verwendeten Pulverlacke zu verwenden. Hierbei ist zu beachten, dass eine Einstellung gewählt wird, welche weder zu einem Überbrennen der Grundierung, noch zu einem Unterbrennen des Decklackes führt. Durch das gemeinsame Aufschmelzen und Vernetzen des Grundierpulvers und des Decklackes kann es zu Wechselwirkungen kommen, welche die Ausprägung der Oberfläche und den Glanz der eingebrannten Oberfläche beeinflussen. So kann die Oberfläche Glanzwerte ausserhalb der in den technischen Datenblättern angebenden Bereiche aufweisen. Diese Ergebnisse sind reproduzierbar und sollten vor Produktionsbeginn durch Grenzmuster ermittelt und freigegeben werden. Diese Grenzmuster können während der Applikation zur Überwachung der Qualität herangezogen werden.

Messung der einzelnen Schichtstärken

Im Gegensatz zu einem klassischen Zweischichtaufbau mit Angelieren/ Einbrennen des Primers, ist es bei der Verarbeitung im Pulver-in- Pulver-Verfahren nicht möglich, die Schichtstärke mit gängigen Schichtstärkenmessgeräten zu messen, da die Messung des Primers vor dem Einbrennen erfolgen müsste. Auch lässt sich mit normalen Messgeräten nur die Stärke des gesamten Lackaufbaus messen und nicht die einzelnen Schichtstärken. Um die einzelnen Schichtstärken messen zu können, werden berührungslose Messgeräte (Infrarot, Ultraschall, u.ä.) für die Messung der Primerschichtstärke vor dem Einbrennen empfohlen. Wird dieser Wert dokumentiert, kann nach der Messung der Gesamtschichtstärke der Wert der Deckbeschichtung berechnet werden (Gesamtschichtstärke – Schichtstärke des Primers = Schichtstärke des Decklackes). Stehen diese Messmittel nicht zur Verfügung, besteht noch die Möglichkeit “zerstörend“ zu messen: Am einfachsten ist dies möglich, wenn an gewissen Messpunkten der aufgebrachte Primer lokal abgeblasen wird und anschliessend die Deckbeschichtung erfolgt. An den Punkten ohne Primer kann die Schichtstärke des Decklackes, sowie die Systemschichtstärke an den übrigen Stellen, normal gemessen werden. Anschliessend kann die Schichtstärke des Primers berechnet werden (Gesamtschichtstärke – Schichtstärke des Decklackes = Schichtstärke des Primers). Alternativ stehen auf dem Markt auch “Keilschnitt-Schichtstärkenmessgeräte”, früher auch unter dem Namen “Powder Inspektion Gauge (P.I.G.)” bekannt, zur Verfügung. Hierbei wird der Lack keilförmig bis zum Untergrund eingeschnitten. Dabei entsteht ein sichtbarer Querschnitt des Lackfilms. Mit einer dazugehörigen Lupe mit Messskala können die Schichtstärken nun einfach abgelesen werden.