Sich erfolgreich durchs Leben boxen

Portrait Shemsi

Shemsi ist heute leidenschaftlicher Boxtrainer, mit dem Ziel, die Jungen für den Sport zu begeis-tern und von der Strasse wegzuholen. Das Boxen gab auch ihm damals eine Perspektive. Shemsi wuchs elternlos bei seinem älteren Bruder im heutigen Kosovo auf und wollte früh auf eigenen Beinen stehen. Er schloss sich dem lokalen Boxclub mit 16 Jahren an und bestritt mit 18 Jahren seinen ersten Profikampf. Es folgten über 280 Kämpfe und ansehnliche Erfolge: vierfacher Kosovo-Meister, achtfacher Ex-Jugoslawien-Meister und Europameister im Jahr 1988. 120 Mal siegte er durch k.o., dank seiner 140 Kilogramm Schlagkraft. Kein Wunder, fielen seine Gegner reihenweise um.
Seine Augen funkeln, wenn Shemsi von seiner Boxkarriere spricht. Er berichtet von den täglichen Trainings, der mentalen Vorbereitung auf jeden Kampf und dass er vor einem Kampf jeweils kaum ein Auge zumachte. So sehr freute er sich auf die Begegnung. In seiner Karriere wechselte Shemsi sieben Mal die Gewichtsklasse, startete mit 48 Kilo und beendete sie mit 75 Kilo.

Seine Karriere nahm 1989 ein abruptes Ende, als die Unruhen im damaligen Jugoslawien ausbrachen. Die Regierung verbot jeglichen Profisport und 1992 verliess Shemsi seine Heimat fluchtartig. Er kam in die Schweiz. Seine Frau und Kinder musste er erst einmal zurücklassen. Ein Jahr später reisten sie nach. «Ich verspüre keine Wut, obwohl meine Karriere damals endete. Es ging ums Überleben, um die Existenz meiner Familie und Freunde», so Shemsi.

Zehn Jahre vom Asylheim bis zur ersten Arbeitsstelle
Die Familie lebte im Asylheim in Lichtensteig im Toggenburg. Er suchte regelmässig die Telefonkabine im Postgebäude auf, von wo er seine Verwandten im Kosovo anrief. An einem Tag im Jahr 1992 veränderte der Gang zur Telefonkabine alles. In der Kabine fand Shemsi ein Portemonnaie mit einem hohen Geldbetrag drin. Ein kleines Vermögen. Er brachte das Geld zu seinem Betreuer im Asylheim und die Polizei wurde verständigt. Tags darauf bekam die Familie eine Wohnung zugeteilt.
Insgesamt zehn Jahre wartete Shemsi auf seine Aufenthaltsbewilligung. 2002 erhielt er sie und durfte endlich einer Arbeit nachgehen. Er fand rasch Arbeit als Lackierer. 2007 kam er zur IGP und arbeitet seither in der Produktion. Die Arbeit bei der IGP gefalle ihm, weil er die Firma als faire Arbeitgeberin schätze. Das sei ihm als Sportler besonders wichtig. Er fühle sich von Beginn an respektvoll behandelt, wertgeschätzt und unterstützt. Die Nachtschichten machen ihm nichts aus, denn seinen eigenen Körper herauszufordern und zu belasten, das ist Teil seiner DNA.

Leidenschaftlicher Trainer
Seit vielen Jahren ist Shemsi Trainer bei Azem Kampfkunst in Wil und Winterthur. Seit er dort Azem Maksutaj trainiert, konnte dieser grosse Erfolge feiern. Er ist heute 14facher Weltmeister im Thaiboxen. Das erfüllt Shemsi mit viel Stolz. Zwei bis drei Mal pro Woche unterrichtet er  Boxen. «Es kommen ganz unterschiedliche Leute zu uns ins Training. Zum Beispiel Ärzte, die mal ihren Kopf freikriegen wollen», so Shemsi. Die Disziplin zieht sich durch das Leben von Shemsi. Als junger Erwachsener im Boxclub musste er strenge Tagesabläufe und Regeln be-folgen. Vor wichtigen Kämpfen wurde teils bis zu drei Tage gefastet, damit das Kampfgewicht nicht überschritten wurde. Dann folgte der Krieg, die Flucht aus der Heimat und der Aufbau einer neuen Existenz in einem fremden Land. Mit 62 Jahren blickt Shemsi auf ein intensives Leben zurück. Bis zur Pensionierung will er bei der IGP bleiben und dann entweder hier nebenbei als Trainer arbeiten oder im Kosovo ein eigenes Boxstudio gründen.

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